Die Besetzung der Stadt Brilon Gründonnerstag 1945

Ein Bericht von Stadtoberinspektor Johannes Martini über die Besetzung der Stadt Brilon durch Amerikanische Truppen am Gründonnerstag, den 29.03.1945

 

Durch das Vordringen der amerikanischen Truppen musste mit einer Besetzung der Stadt Brilon gerechnet werden. Am 29.03.1945 sickerte im Laufe des Vormittages durch, dass amerikanische Truppen die Stadt Winterberg passiert hätten und sich in Richtung Olsberg weiterbewegten. Auf Anordnung des Landrats mussten alle Vorbereitungen zur Vernichtung der schon früher festgelegten Akten getroffen werden. (Geheim-, Partei- und Judenakten.) Das Stichwort „Teufel“, dass für die Vernichtung der Akten bestimmt war, ist jedoch nicht ausgeübt worden. Schon längere Zeit vorher habe ich wiederholt mit dem mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragten Amtsinspektor Klemens Hoffmann darüber gesprochen, was geschehen sollte, wenn feindliche Truppen sich Brilon nährten. Herr Hoffmann war mit mir immer der Ansicht, dass eine Verteidigung Brilons nicht erfolgen würde. In dieser Einstellung wurde das Einrücken der Amerikaner abgewartet. In der Person des mir bekannten Kaufmanns Brabender aus Duisburg, der längere Jahre in Amerika gewesen ist, hatte ich einen Dolmetscher zur Verfügung. In der Mittagszeit kam die telefonische Nachricht vom Landratsamt, dass die Panzer hinter Winterberg nach Korbach abgebogen seien. Damit schien die unmittelbare Gefahr für Brilon beseitigt.

Im Laufe des Nachmittages war dann Vollalarm. Während des Alarms befand ich mich mit Herrn Hoffmann im Dienstzimmer des Bürgermeisters. Während wir uns unterhielten, entstand auf dem Marktplatz ein Geräusch. Ich trat zum Fenster und sah eine Anzahl amerikanische Soldaten über den Marktplatz laufen. Ein Soldat gab einen Schuss in die Stracke-Str. ab. In wenigen Augenblicken war der Marktplatz, der wegen des Fliegeralarms nicht sehr stark belebt war, leer. Ich merke hierbei, dass am 29.03., wie auch an den Tagen vorher, ein sehr starker Verkehr durch zivile Kraftfahrzeuge, Wehrmachtsfahrzeuge, Soldaten zu Fuß und zu Pferde, Ostarbeiter, Kriegsgefangene ununterbrochen von Westen nach Osten durch Brilon stattfand. Das Rathaus war schon durch den Vollalarm mit Menschen vollgestopft. Unter diesen befanden sich auch Soldaten mit Waffen. Ich habe zuerst dafür gesorgt, dass alles Volk auf beiden Fluren sofort in die Büros ging, weil ich annahm, dass die Amerikaner in das Rathaus kommen würden und bei der Anwesenheit von bewaffneten deutschen Wehrmachtsangehörigen eine Schießerei entstehen konnte. Die beiden Flure waren in wenigen Augenblicken leer. Herr Hoffmann und ich stellten uns nun auf die Treppe im oberen Flur und erwarteten die Amerikaner.

Diese erschienen jedoch nicht, vielmehr kam nach wenigen Minuten der Dolmetscher, Herr Brabender und wir 3 sind dann zusammen aus dem Rathaus auf den ersten amerikanischen Soldaten zugegangen und haben nach dem kommandierenden Offizier gefragt. Dieser hielt neben einem PKW, auf dem Bürgersteig vor dem Kaffee Starke und sprach in einen Telefonapparat. Nach Beendigung des Gespräches, das nach meinem Erinnern etwa 2 Minuten dauerte, stellte uns der Dolmetscher dem Kommandanten vor. Dieser richtete an uns die Frage, ob in dieser Stadt Widerstand geleistet würde. Sowohl Herr Hoffmann als auch ich haben erklärt, dass kein Widerstand geleistet würde, weil dies sinnlos sei, da ja die Stadt bereits besetzt sei. Ich habe noch hinzugefügt, dass sich am Rande der Stadt noch einige Widerstandsnester befänden und der Kommandant fragte mich nach der Stärke. Ich habe ihm diese mit etwa 40 Mann vom RAD genannt, worauf der Kommandant lächelnd sagte: „Nach uns kommen noch 3 Armeen. Wir wollen uns dabei nicht aufhalten.“ Nach diesem Gespräch sprach der Kommandant eine Weile in das Telefon. Herr Brabender übersetzte uns, dass er mit dem Führer eines Bombengeschwaders und mit einer Truppendienststelle sprach. Der Kommandant erwähnte noch zu dem Dolmetscher, dass für Brilon im Falle des Widerstandes 3 „Teppigwürfe“ (Bombenteppiche) vorgesehen seien. Herr Hoffman und ich mussten so dann unsere Personalien angeben. (Name, Vorname, Geburtsdatum und Diensteigenschaft.) Es wurde uns aufgegeben, die Ankunft der Militärregierung abzuwarten. Bei der Rückkehr zum Rathaus habe ich den mir begegnenden Kurt Drescher gebeten, sofort zu der Panzersperre an der Altenbürenerstra.e zu fahren und den RAD-Führern zu sagen, dass Brilon bereits besetzt sei und ein Widerstand nutzlos sei.

Drescher hat diesen Auftrag auch ausgeführt. Ich bin so dann von Donnerstag-Nachmittag an im Rathaus geblieben und habe mit sehr wenig willigen Personen den Rathauseingang besetzt und konnte dadurch verhüten, dass das Rathausinnere beschädigt wurde, mit Ausnahme des Telefonanschlusses, der von einem amerikanischen Soldaten von der Wand gerissen wurde. Herrn Hoffmann habe ich gebeten nach Hause zu gehen, weil sein Haus sofort geräumt und von der Truppe für eine Verteidigung eingerichtet wurde. In der folgenden Nacht musste ein Lazarett eingerichtet werden. Dieses wurde in die Volksschule gelegt. Die Militärregierung erschien am Ostermontag. (2.4.1945) Am andern Tage wurde Hoffmann zu einem Verhör gebeten und kam nicht wieder. Der Kommandant beauftragte mich mit der verantwortlichen Führung der Geschäfte und erklärte mir, dass ich für die Sicherheit der Besatzung verantwortlich sei und dass im Falle von Delikten gegen die Besatzung Geiseln erschossen würden.

Stadtoberinspektor Johannes Martini

Eine Einsicht in die Akten aus dem Zeitraum 1933 bis 1945 im Stadtarchiv ist möglich, es kann aber zu datenschutzrechtlichen Sperrfristen kommen, insbesondere im Hinblick auf den Schutz gegenüber noch lebenden oder kürzlich verstorbenen Personen.

Bitte sprechen Sie das Archivpersonal an. Wir helfen gerne weiter.

 

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