Unsere Archivale des Monats ist die Akte A 652 aus dem Amtsarchiv Thülen. Betitelt ist die von 1900 bis 1930 geführte Akte mit „Sammlung von Vereinsstatuten“. Diese birgt Informationen zu insgesamt 57 eingetragene Vereinen, die zum Teil heute noch aktiv sind. Sie enthalten wertvolle Angaben über das Gründungsjahr, den Ort, die Satzung, Statuten, Eintritts- aber auch Austrittsbescheinigungen und vieles mehr. Oftmals wurden die Vereine auch Klub genannt.
Um 1900 war die Registrierung von Vereinen Pflicht, um Probleme mit der Vereinspolizei zu vermeiden. Diese kontrollierte die Einhaltung der Regeln, die mit dem Vereins- und Versammlungsrecht einhergingen. Das Anmelden der Vereine war gesetzlich vorgeschrieben und jede Geheimhaltung konnte strafrechtlich Konsequenzen nach sich ziehen.
In der Zeit der Weimarer Republik war es der Regierung wichtig, ein Auge auf die Bürger zu haben und wie sie ihre Freizeit gestalteten. Die Pflicht der offiziellen Registrierung verdeutlicht die staatliche Kontrolle, dennoch florierte das Vereinsleben. Der ursprüngliche Zweck der Vereine, nämlich der Zusammenschluss von Handelszünften, verlagerte sich immer mehr in den Freizeitbereich. Nicht mehr der Beruf oder die Politik standen im Mittelpunkt des Vereinslebens, sondern die gemeinsame Freizeitgestaltung. Durch die Kontrollstrukturen und die strengen Dokumentationsregeln haben wir heute die Möglichkeit, viele Vereinsgründungen nachvollziehen zu können.
Zunächst finden sich in der Akte zahlreiche Arbeitervereine wie der Verband deutscher Eisenbahn-Handwerker und Arbeiter. Je weiter man blättert, desto öfter liest man von Vereinen wie Gesangsvereinen, Sportvereinen, Schützenvereinen und Junggesellenvereinen. Sogar die Gründungsurkunde des Schützenvereins Radlinghausen, der im Jahr 2022 sein 100-jähriges Bestehen feierte, findet sich in der Akte. Es scheint, dass jedes Dorf im Amt Thülen im Laufe der Zeit seine eigenen Vereine hatte, die das soziale Leben bereicherten in Form von Gesangs-, Sport- und Junggesellenvereinigungen. Besonders das Vereinsleben in den Orten Scharfenberg, Rixen, Messinghausen und Alme schien aufzublühen.
Der Eintritt in die Vereine war nicht für jeden möglich; oft stellte das Alter eine Hürde dar, da Mitglieder mindestens 16 oder sogar 18 Jahre alt sein mussten. In den Mitgliederlisten taucht der eine oder andere bekannte Name auf. Viele werden ihre Großeltern, aber auch Urgroßeltern unter den Mitgliedern finden. Einige sogar in führenden Positionen. Ähnlich wie heute hatten die Vereine einen Vorsitzenden und mindestens zwei Stellvertreter. Gesangvereine wählten oft besondere Ämter wie Dirigenten, Kassierer, Schriftführer oder Notenwarte. Bei besonderen Leistungen während der Tätigkeit als Vereinsmitglied wurde man mit einer Urkunde geehrt. Veranstaltungen, bei denen man für langjährige Mitgliedschaft ausgezeichnet wird, sind eine Tradition, die auch heute noch besteht. Trotz kleiner Unterschiede in den Satzungen hatten alle die gemeinsame Absicht, die Geselligkeit zu fördern. So zum Beispiel wurden in den Vereinsregeln oft Ziele formuliert wie: Frohsinn, Unterhaltung, aber auch „das Gemüt erheben“.
Neben den Ehrungen finden sich in den Akten auch Austrittsbescheinigungen. Die Vereine waren zum Teil sehr streng und Regelverstöße führten oft zum Ausschluss. Gründe für einen Ausschluss waren beispielsweise die Nichtzahlung des Mitgliedsbeitrages, der meist eine Mark betrug, nach drei Monaten. Im Gesangverein „Liederkranz“ zu Wülfte wurde eine Strafe von einer Mark erhoben, wenn man zu spät zu den Proben kam oder unentschuldigt fehlte. Natürlich konnte man sich auch vorab mündlich oder schriftlich abmelden.
Die Akte 652 aus dem Amtsarchiv Thülen Bestand A gewährt somit nicht nur Einblicke in das Vereinsleben von 1900- 1930, sondern auch in die sozialen Strukturen und Regelungen, die das Zusammenleben in den Gemeinden prägten. Sie ist eine Quelle der Wertschätzung für das Engagement und dem Gemeinschaftssinn vergangener Generationen. Sie erinnert uns daran, wie wichtig Vereine und ihre Aktivität für die kulturelle und soziale Entwicklung einer Gemeinschaft sind, auch in der heutigen Zeit.
Quellen: Neumer Abzeichen, Wikipedia, Amt Thülen A 652